Die Gründung und das Konzept der Rainforest Waldorfschule Gore
Im Oktober 2025 wird in Gore in Westäthiopien
die erste Waldorfschule Äthiopiens eröffnet.



Über die Schule
Die Rainforest School Gore verfolgt die Mission, als erste Waldorf-Schule Äthiopiens inklusive Bildung zu ermöglichen, die Kinder ganzheitlich fördert und eine nachhaltige Gemeinschaft in der Region Gore im Westen Äthiopien stärkt.
Aufgebaut wird die Schule durch den ersten anerkannten Waldorflehrer Äthiopiens Tibebu Alemu mit Unterstützung der Freien Waldorfschule Leipzig und dem Fernstudium Waldorfpädagogik Jena.
Für die Gründung dieser Schule mitten im äthiopischen Dschungel bedarf es aktuell insbesondere zwei Dinge: den Einsatz vieler tatkräftiger Menschen vor Ort, sowie ausreichend finanzielle Unterstützung zum Errichten einer nachhaltigen Infrastruktur.
Tibebu wird in Gore mit einer 1. Klasse von 25 Schülern beginnen. Es soll eine inklusive Schule sein. Als ein Pilotprojekt für zunächst vier Jahre wird er ein Team bilden und langsam die Schule sowie einen zugehörigen Kindergarten aufbauen.
Er möchte unbedingt inklusiv arbeiten, denn er sieht, wie Kinder mit Behinderungen in der Gesellschaft, oft auch von ihren Eltern, nicht als vollwertig betrachtet werden. Sein letztes Praktikum in Tansania, wo er mehrere Monate mit Kindern mit Hydrocephalus gearbeitet hat, haben ihn noch bestärkt, dass er wirklich eine inklusive Schule aufbauen will. Er denkt hinsichtlich der Schule an das Verhältnis 20 + 5 inklusive Kinder.
Die vorhandenen Gebäude in Gore wurden vor fünf Jahren als Landwirtschaftsschule gebaut und seither nicht genutzt. Man muss renovieren und die Schule einrichten. Zudem soll ein Garten angelegt werden und Kleintiere und ein oder zwei Kühe gehalten werden.
Der Dschungel mit zahlreichen Kaffeebäumen ist nicht weit weg vom Schulgelände.
Es gehört Land von ca. 8.000qm zu den Schulgebäuden. Dieses und das Land gehören der Stadt Gore, die es nie verkaufen würde, der Schulgründung aber kostenlos zur Verfügung stellt.

Der Gründer der Schule
Im Dezember 2024 hat Tibebu Alemu, Gründungslehrer und Schulleiter der Rainforest Waldorfschool Gore, seine dreijährige Ausbildung in Waldorfpädagogik in Nairobi beendet und steht nun so biographisch an einem neuen Punkt. Er möchte nun seine Ideale und Ideen für die Gründung der Waldorfschule in Gore in die Tat umsetzen.
Tibebu Alemu hat jahrelange Erfahrung als Imker in der Region. Zuvor lebte er in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens, in einem kaffeeverarbeitenden Unternehmen und war dort im Management tätig.
Beruflich bedingt führten ihn seine Reisen auch nach Italien, Deutschland, Kenya, Tansania, Namibia und in die USA.
Das Schulkonzept
Hier erfahren Sie, wie die Rainforest Waldorfschule Gore Inklusion fördert, nachhaltige Werte vermittelt und durch innovative Waldorfpädagogik Bildungschancen für äthiopische Kinder schafft:
- Inklusive Lernumgebung für alle Kinder.
- Verankerung von Naturpädagogik und traditionellen Verbindungen Werten der Region im Curriculum
- Nachhaltige Entwicklung durch Waldorfpädagogik mit entwicklungsorientiertem Curriculum, Verwendung natürlicher Materialien, Epochenunterricht und handlungspädagogischen Ansätzen
- Einrichtung eines Schulgartens und Integration von Stall- und Nutztieren in den Schulbetrieb
- Unterstützung und Förderung von Bildungsmöglichkeiten auch für einkommensschwache Familien
- Versorgung der Kinder mit gesundem und ausreichendem Essen
- sukkzessiver Aufbau der Schule in 4 Jahren bis zunächst Klasse 4 und schrittweiser Ausbau des Schulgebäudes und – geländes
- medizinische Versorgung der Kinder in Kooperation mit dem Klinikum in der Nachbarstadt Mattu
- Enge Zusammenarbeit mit Universität Mattu insbesondere mit Dr. Bedilu (Vizepräsident der Universität) für die Aquise neuer Lehrerinnen und Lehrer sowie für die Weiterentwicklung des Curriculums der Schule
- Internationale Vernetzung wie zum Beispiel mit der East African Teacher Association in Nairobi (Kenya)
- Internationale Förderung des Projektes in Zusammenarbeit mit dem Äthiopienprojekt der Freien Waldorfschule Leipzig. Jahrelange Projekterfahrung und zahlreiche Projektreisen mit den Waldorfpädagogen Cornelia und Wolfgang Debus (Leipzig)
Aufgaben und nächste Schritte
Für die Eröffnung der Schule müssen in den kommenden Wochen viele Bereiche geklärt, geplant und vorbereitet werden. Dazu gehören insbesondere:
- Die Entwicklung eines Curriculums auf der Grundlage der Waldorfpädagogik und unter Berücksichtigung der besonderen regionalen Kultur und Gegebenheiten im Hochland von Gore
- Die Bildung Kollegiums aus Lehrer*innen und Kindergärtner*innen und deren pädagogische Schulung
- Gründung eines Teams aus Köch*innen für die Essenversorgung, medizinischem Personal, Geländepfleger, Gärtner und Reinigungskräften.
- Die Herstellung der Klassenräume, Küche, Speisesaal, Toiletten, Wachsräumen und dem Schulgelände mit Garten und Einfassung.
- Die Klärung der Genehmigung und der Finanzierung der Schule in einem gesonderten gemeinnützigem Verein.
- Und vor allem: die Auswahl und Aufnahme von Kindern der kommenden 1. Klasse und der ersten Kindergartengruppe.
Wir freuen uns über jede Hilfe und Unterstützung zur Realisierung dieser Vorhaben:
Unser pädagogisches Konzept
Dieser Bereich erläutert ausführlich die Grundsätze der Waldorfpädagogik und wie sie an unserer Schule umgesetzt wird, um eine nachhaltige und inklusive Bildung zu gewährleisten.
Waldorfpädagogik
Sie wurde 1919 von Rudolf Steiner (1861-1925) zusammen mit Emil Molt, Besitzer der damaligen Waldorf Astoria Zigarettenfabrik, für die Arbeiterkinder in Stuttgart gegründet und nach der Fabrik benannt. Mit dieser Schule wurde zum ersten Mal das Prinzip sozialer Gerechtigkeit im Bildungswesen verwirklicht. Unabhängig von sozialer Herkunft, Begabung und späterem Beruf erhalten junge Menschen eine gemeinsame Bildung. Als erste Gesamtschule haben die Waldorfschulen das mit dem vertikalen Schulsystem verbundene Prinzip der Auslese durch eine Pädagogik der Förderung ersetzt.
Kein Sitzenbleiben
Alle Schüler und Schülerinnen durchlaufen ohne Sitzenbleiben 12 Schuljahre. Der Lehrplan der Waldorfschulen ist auf die Weite der in den Kindern liegenden seelischen und geistigen Veranlagungen und Begabungen ausgerichtet. Deshalb tritt vom 1. Schuljahr an neben die mehr sachbezogenen Unterrichtsgebiete ein vielseitiger künstlerischer Unterricht. Durch diesen werden die für den einzelnen Menschen wie für die Gesellschaft wichtigen schöpferischen Fähigkeiten und Erlebniskräfte gefördert.
Künstlerisch-handwerklicher Unterricht
Ein vielfältiger handwerklicher Unterricht fördert die differenzierte Ausbildung des Willens und die lebenspraktische Orientierung der Schülerinnen und Schüler.
Entwicklungsorientierter Lehrplan
Ein entscheidendes Prinzip des Waldorflehrplans liegt in der Abstimmung der Unterrichtsinhalte und Unterrichtsformen auf die Prozesse kindlichen Lernens und die Stufen menschlicher Entfaltung in Kindheit und Jugend. Der Unterricht ist von Schulbeginn an auf das Ziel innerer menschlicher Freiheit hinorientiert.
Bildhafter Unterricht
In den ersten Schuljahren, in denen die eigene Urteilskraft der Schülerinnen und Schüler erst heranreift, ist „bildhafter“ Unterricht ein wesentliches Unterrichtsprinzip. Die Tatsachen werden so behandelt, dass die Kinder zusammen mit dem Anschaulichen auch das Gesetzmäßige und Wesenhafte der Dinge im Sinne echter Bilder verstehen und erleben lernen.
Wissenschaftlicher Unterricht
Dem Streben nach eigener Lebensgestaltung und Urteilsbildung vom 14. Lebensjahr an entspricht der wissenschaftliche Charakter vieler Unterrichtsfächer vom 9. bis 12. Schuljahr. Die Waldorfschulen sehen hier die pädagogische Aufgabe nicht darin, eine voruniversitäre Ausbildung zu betreiben, sondern den Unterricht inhaltlich so zu vertiefen, dass er sich mit den Lebensfragen des jungen Menschen verbinden kann und Antworten gibt.
Epochenunterricht
Ein wichtiges Element ist der Epochenunterricht. Er wird in den Fächern durchgeführt, in denen Sachgebiete in sich geschlossen behandelt werden können (Deutsch, Geschichte, Mathematik, Naturwissenschaften usw. ). Gebiete, die laufender Übung bedürfen (künstlerischer Unterricht, Fremdsprachen), werden in Fachstunden erteilt, wobei auch hier manche Waldorfschulen in den letzten Jahren verstärkt Epochenunterricht durchführen.
Zeugnisse und Abschlüsse
Die Waldorfschulen haben mit der Auslese auch das übliche Zensurensystem abgeschafft. Die Zeugnisse bestehen aus möglichst detaillierten Beschreibungen, die die Leistung, den Leistungsfortschritt, die Begabungslage und das Bemühen in den einzelnen Fächern durchsichtig machen. Die Schülerinnen und Schüler schließen die Schule mit der Mittleren Reife, Fachhochschulreife oder dem Abitur (nach dem 13. Schuljahr) gemäß den in den Bundesländern jeweils geltenden Regeln ab.
Selbstverwaltung
Als Freie Schulen haben die Waldorfschulen die hierarchisch organisierte Außenlenkung der staatlichen Schulen durch eine freiheitliche Verfassung ersetzt. Die Selbstverwaltung erfolgt durch Eltern und Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam und stellt ein sehr zukunftsorientiertes soziales Erfahrungsfeld dar. Die pädagogische Leitung wird von der wöchentlichen Lehrerkonferenz wahrgenommen, an der alle Lehrer gleichberechtigt mitwirken. Das Bemühen um das Verständnis des Menschen, der Lebensgesetze und um Fortentwicklung der Pädagogik auf der Basis der anthroposophischen Geisteswissenschaft bildet die gemeinsame Grundlage.
Finanzierung
Privatschulen in Äthiopien erhalten keinerlei staatliche Zuschüsse. Die Schule wird sich aus Elternbeiträgen, Distance Adoptions, internationalen Spenden- und Stiftungsgeldern sowie schrittweise regionaler Erträge aus Imkerei und Honigverkauf finanzieren.
Inklusion
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen hat deren gesellschaftliche Teilhabe in allen Staaten der Erde auf die Tagesordnung gesetzt. Wie kann sich an einer Schule in Äthiopien inklusive Pädagogik entwickeln?
Zunächst einmal ist Inklusion eine gesamtgesellschaftliche Vision. Allen Menschen soll der Zugang zu den selben gesellschaftlichen Räumen möglich werden. Die Idee der Inklusion beinhaltet daher sehr weitreichende gesellschafts- und sozialpolitische Implikationen. Denn die Art und Weise, wie gesellschaftlich auf Behinderung geblickt wird, ist für Menschen mit Behinderungen von entscheidender Bedeutung. Steht in vielen Bereichen der äthiopischen Gesellschaft eine Betrachtung im Vordergrund, die Behinderung als „Defekt“ ansieht, der nach Möglichkeit durch „Reparatur“ oder Therapie zu beseitigen ist, so muss sich der Blick in den kommenden Jahren radikal verändern. Behinderung muss künftig zunehmend als Soseins-Form, als individuelle Variation des Menschseins gesehen werden. Folgerichtig ist die Frage zu entwickeln, welchen Beitrag zur Vielfalt der Gesellschaft Menschen mit Behinderungen durch ihre je individuellen Lebenserfahrungen und ihr Welterleben leisten können. Dieser Beitrag findet zunehmend Wertschätzung, denn die Menschheit wäre ärmer ohne ihn!
INKLUSION UND SCHULE
In Artikel 24 der UN-Konvention werden Prinzipien für Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion für den schulischen Bereich definiert. Die schulische Inklusion geht von der Besonderheit und den individuellen Bedürfnissen eines jeden Kindes aus und dem erklärten Ziel, Schülerinnen und Schüler nicht vom Besuch der allgemeinen Schule auszuschließen („Persons with disabilities are not excluded from the general education system, Artikel 24, 2.a.“). Die schulische Inklusion stellt sowohl einen Paradigmenwechsel in der Behindertenhilfe als auch im deutschen Regelschulsystem dar. Sie erhebt den Anspruch, eine Antwort auf die komplette Vielfalt aller Kinder zu sein. Und sie tritt ein für das Recht aller Schüler und Schülerinnen, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen und ihrer ethnischen, kulturellen oder sozialen Herkunft miteinander und voneinander zu lernen.
Inklusion steckt im äthiopischen Bildungssystem noch in den Kinderschuhen. Hier will die Rainforest Waldorfschool Gore ein Pionierprojekt für die Region sein. Durch die angestrebte Verwirklichung des Inklusionsgedankens wird die Schule das Selbstverständnis vertiefen, eine Pädagogik für jedes Kind zu sein.
Handlungspädagogik
Die Abhängigkeit der modernen Wohlstandsgesellschaft von überregionalen Wirtschafts- und Finanzkreisläufen hat globale Krisen ausgelöst wie den menschengemachten Klimawandel, die regelmäßig wiederkehrenden Finanzkrisen und die offenen Kriege in allen Teilen der Welt. Will Schule eine „Kulturtat“ sein, muss sie weit über das hinausgehen, was man unter Bildung im Allgemeinen versteht. Besonders in Äthiopien, wo sich Gesellschaft und technologische Entwicklung rasant verändern, steht Bildung vor der Aufgabe, den Kindern und damit der zukünftigen Gesellschaft einen neuen und nachhaltigen Zugang zu ihren natürlichen Ressourcen zu ermöglichen, um ein Gleichgewicht in Natur, Wirtschaft und zwischenmenschlichen Beziehungen wieder herzustellen.